Meine Ahnen stammen aus der Altmark, das ist oberhalb von Magdeburg, links der Elbe.
Ich selber bin Jahrgang 1976, verheiratet, habe drei Kinder und wohne mitten in Berlin.
Seit 2010 Geschäftsführer der New Dimension Marketing GmbH.
Mit meiner Firma betreibe ich Audience Development und Online-Marketing für eigene Produkte, sowie Consulting für ausgewählte Kunden.
Ich werde 120 Jahre alt.
In einem Wort: DDR.
Alles was immer man über die behüteten Kindheiten in der Ost-Republik sagt: Es stimmt. Für uns Kinder war es super. Meine kleine Schwester und ich hatten alles was man braucht: Sandkasten, Gummistiefel, Erdbeeren, Ausflüge zum See im Sommer, viel Schnee im Winter, Opa und Oma.
Meine Interessen waren Schach und Leichtathletik, geförderte Angebote gab es genug. Natürlich habe ich auch die Mauer gesehen, mit den Soldaten davor. Sie war schlimm. Niemand konnte mir wirklich erklären, warum ich niemals in meinem Leben Paris sehen dürfte.
Die Kindheit endete abrupt im Herbst 1989, kurz vor dem Mauerfall, als meine Familie mit einem halb beladenen Lada in einer Nacht-und-Nebel-Aktion über die Tschechei in den Westen flüchtete.
Jede Mauer fällt irgendwann.
Wir landeten im fränkischen Coburg, das Auffanglager war eine Sporthalle des Bundesgrenzschutz Bayern. Wir wurden in nur 24 Stunden zu Bundesbürgern. Ich hatte verloren: Freunde, Familie, Heimat. Dafür bekam ich: Neue Schulkameraden, neuen Dialekt, die große weite Welt. Wir Ostler galten irgendwie gerade noch als Deutsche, das rettete mich und meine Schwester.
Der Westen war erstaunlich wohlhabend, aber die kochten auch nur mit Wasser. Auf dem Gymnasium gehörte ich zu den besten Schülern. Prima Abi. Danach Zivildienst in einem Wohnheim für behinderte Kinder.
Anschließend TV-Praktika im kalten Hof/Saale und im noch kälteren, unrenovierten Berlin von 1998. Irgendwann schnitt ich meine Dreadlocks ab, und Zidane wurde Weltmeister.
Danach zog ich nach Hamburg und studierte 5 Jahre Politikwissenschaft, mit Nebenfach Wirtschaftsgeographie, ein Jahr davon verbachte ich in Madrid, lernte spanisch und wie man Paella kocht.
In Rom dann, ausgerechnet, lernte ich meine künftige Frau kennen, eine Französin. Ich sprach kein französisch, aber pendelte ein Jahr lang zwischen Hamburg und Strasbourg.
Während meiner Diplomarbeit absolvierte ich ein langes Praktikum in der Vorstandsetage des global players Bertelsmann AG. Doch man wollte mich nicht behalten, es waren die frühen Nullerjahre, nur wenige Jobs gab es. Also siedelte ich wagemutig nach München und arbeitete in einem Startup-Unternehmen, dem 6 Monate später das Geld ausging.
Als plötzlicher Hartz-IV-Empfänger strandete ich in den Außenbezirken der teuersten Stadt dieses Landes, in einem Hochhaus im olympischen Dorf. Dort, mit Blick auf die Alpen an klaren Tagen schmiedete einen großem Plan für eine Zukunft als Filmemacher - und einen Plan B.
Das Sommermärchen 2006, mit Zidanes Kopfstoß als finalen Akt, entschädigte mich für das Leiden am Existenzminimum. München gefiel mir. Auch Hamburg hatte mir gefallen.
Plan B funktionierte schon mal. Ich kam als Werbetexter in einer Münchener Agentur unter. Die Arbeit machte Freude. Dann funktionierte plötzlich auch Plan A: Ich wurde an gleich zwei Filmschulen zugelassen.
Mit meiner künftigen Frau beriet ich ich, ob ich nach Ludwigsburg oder nach Berlin soll. Wir machten einen Deal und zogen zusammen nach Berlin. Sie verließ Ihr Heimatland Frankreich.
Ich nahm einen großen Bildungskredit auf und studierte Drehbuchschreiben an der DFFB. Ich erfuhr von Dramaturgie, Charakterentwicklung, mythischen Strukturen, dem kollektiven Unterbewusstsein.
Dennoch fühlte ich mich unwohl, und nach 2 Jahren brach ich ab, auch weil mir das Geld und der Siegeswillen ausging. Ein übler Bandscheibenvorfall zwang mich wochenlang ins Bett. Irgendwas stimmte nicht...
Um mich zu sanieren, stieg ich in einer Agentur wieder als Werbetexter ein und erfand den neuen Slogan für die Berliner Biotonne: "Biogut: Sehr verwertvoll".
Ich trat einem Schachbox-Verein bei, dem ersten der Welt. Unterdessen heftete ich meinen Plan A ab und stellte den Ordner ganz tief ins Archiv, und lasse ihn verstauben. Filme werden andere machen.
Meine Freundin versuchte derweil für ein französisches Online-Journal Werbekunden aufzutreiben. Weil der Werbebanner-Verkauf nur wenig einbrachte tippte ich irgendwann bei Google ein: Geld verdienen im Internet - und stieß auf eine neue Wirklichkeit, die mich ordentlich gefangen nahm: PPC und Klickwerbung, Suchmaschinenoptimierung, Direktmarketing, E-Mail-Verteiler, Downloadplattformen, später Youtube und Social Media.
In meiner Freizeit baute ich meine erste kommerzielle Webseite und bot dort ein kleines, verrücktes Nischenprodukt an, das es in Deutschland noch nicht gab. Nach drei Tagen hatte ich 100 Euro damit verdient ohne aktiv dafür arbeiten zu müssen. Das war's. Ich hatte eine kleine Goldader entdeckt! Es war eine transformierende Erfahrung.
Als ich nach nicht mal 2 Monaten mit dieser Webseite deutlich mehr verdiente als in meinem Job, kündigte ich. Meinem traurigen Chef flunkerte ich vor, dass ich geerbt hatte, und ich vielleicht weiterhin als Freelancer zur Verfügung stehen würde. Wir sahen uns nie wieder, ein Jahre später wurde er von einem Auto totgefahren.
Ich hatte zu diesem Zweitpunkt schon drei erfolgreiche Webseiten - und eine eigene GmbH gegründet. Der Sprung in die "incorpated" Selbständigkeit tat mir gut. Plötzlich durfte ich Buchhaltung machen, Liquiditätsprojektionen, und meinen Namen ins Impressum stellen. Ich wollte offenbar nie ein Angestellter sein. Anwesenheitspflicht war immer der Feind.
Leute, ich war monatelang euphorisch. Endlich mal Geld haben für ein ganz normales Hotelzimmer! Genug Kohle für eine Hochzeitsreise nach Japan! Und alles von Apple kaufen können, ohne mit der Wimper zu zucken! All das, ohne mich tot zu machen. Zufriedene Kunden!
Genug freie Zeit war immer mein oberstes Ziel. Dank Internet ging das. Ich flog nach Kalifornien und drehte 2 Wochen lang die Goldrausch-Videoserie, die ich danach for free in Netz stellte.
Einfach nur um zu zeigen: "Hey, ich hab's geschafft!"
Der Erfolg wurde zu einer täglichen Routine.
Diese Routine entgleiste zusehends, nachdem unser erstes Kind zur Welt kam. Das war 2012. Kaum zwei Jahre später kam das zweite Kind. Es waren die anstrengendsten Monate bis dahin, mit wenig Schlaf.
Nebenbei sanierte ich unseren Schachbox-Verein als Vorsitzender - bis auch das mit zuviel wurde. Sogar das Geschäft stagnierte. Selbstläufer gibt es einfach nicht.
Viele neue Gedanken kamen hinzu, neue Fragestellungen. Wie wollen wir unsere Kinder ernähren? Welche Werte wollen wir ihnen mitgeben? Welche Sprache sprechen wir am Esstisch? Schreien lassen oder trösten? Impfen? Ein rosa Fahrradhelm für einen Jungen?
Kinder ändern alles.
Mein Plan, 120 zu werden, musste untermauert werden. Der Körper darf nicht verfallen! Wenn meine Kinder Abi machen bin ich 60, eigentlich längst ein Opa. Das will ich mit 60 noch nicht sein. Ich will topfit und frisch sein. Wie werden alle länger leben, als uns vielleicht recht ist. Klug ist es, gesund zu bleiben und genug Altersvorsorge zu treffen. Worin soll ich investieren? Die Antworten kosten Zeit.
Ich experimentierte ausgiebig mit Ernährung: Ob vegan, Rohkost, Saft, Nahrungsergänzungsmittel, Detox und Fasten - ich habe alles probiert. Am Ende kam überraschend heraus: Vegan machte mich kränklich und dicklich. Als tat ich das Gegenteil. Paleo wurde mein Ding!
Also essen wie unsere frühesten direkten Vorfahren, bevor sie sesshaft, zivilisiert und anfällig wurden. Ich wurde meine Brille los, meine Haut wurde besser und das Zahnfleisch hörete auf zu bluten. Solche Zeichen nehme ich ernst, und folge ihnen.
Vor allem kein Getreide, kaum Zucker, nur frische Ware. Ich fühle mich wie ein Jäger & Sammler. Bin wieder schlank und spüre die Energie. Ich besorge die Einkäufe, und koche jeden Tag für meine Familie. Und manchmal auch für Gäste.
Meine Frau arbeitet Vollzeit als Journalistin und Korrepsondentin, geht ihren eigenen Weg, und ist nicht auf mich angewiesen. Damit bin mehr als d'accord. Die Kinder wachsen von alleine, man muss sich keinen abbrechen, viel Zeit mit ihnen zu verbringen scheint schon die halbe Miete zu sein.
Über alle Maßen anstrengend wurde es, als 2019 das dritte Kind kam, und die Welt ein paar Monate später in einen hysterischen Lockdown abglitt, aus dem sie nicht mehr so richtig herausfand.
Monatelang hatten wir drei Kinder zu Hause, und Betreuung durch Dritte war quasi untersagt. Nie hatte ich größere Sorge um unsere Zivilisation als in jenen düsteren, sonnigen Tagen des globalen Corona-Theaters.
Aber auch das geht vorbei. Ich konnte meine Aufmerksamkeit rechtzeitig vom Virus abwenden und sie auf die Chancen richten, die sich aus der Zerstörung der Welt wie wir sie kannten, ergeben müssen.
Was die Zukunft betrifft: Sie ist besser als wir alle denken.
Es warten unglaubliche Zeiten auf uns. Daran glaube ich, so wahr ich Tim Daugs heiße.
(c) Alle Rechte vorbehalten
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen